Das Gebet

Ich bin Christ.

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich alle Menschen liebe und den ganzen Tag lang für sie bete. In der Tat fällt es mir manchmal schwer, genau das zu tun, was Jesus mir aufgetragen hat, als er sagte, dass ich meinen Nächsten so lieben solle wie mich selbst.

Allerdings durfte ich dank der Gnade des Herrn recht schnell erkennen, dass wir aus uns selbst nicht schaffen können, was wirklich überdauert. So auch nicht die Liebe für einen Menschen, den wir aus den verschiedensten Gründen nicht mögen.

Es ist einfach, für seine Freunde zu beten, aber wie sieht es aus mit jemanden, der einen hasst, einen verlacht und einfach so schlimme Taten begangen hat, dass man keinerlei positive Gefühle und Empathie für diesen Menschen haben kann?

Ich würde mich persönlich nicht zu den großen Betern als Christ zählen. Eine Schwester, die ich gut kenne, betet oft für die Regierung, ich kann das nur selten. Wenn ich bete, dann muss ich dahinterstehen, sonst bin ich nicht anders wie die Pharisäer damals, die in der Öffentlichkeit sehr lautstark gebetet haben, so dass viele Leute glaubten, diese wären wirklich gläubig. Aber Gott sah in ihr Herz und sagte nur „Sie haben den Lohn im Leben schon erhalten“.

Wenn ich bete, dann mache ich das recht einfach und oft auch kurz. Das ist ganz sicher nichts, womit ich mich mit Ruhm bekleckere, oder stolz darauf sein kann. Es gibt sicher viele Geschwister in der Welt die ein viel stärkeres Gebetsleben als ich haben. Darum ist die folgende Geschichte, die mir passierte, für mich sehr emotional berührend.

Ich habe extra einige Zeit gewartet, sie niederzuschreiben.

Es war Anfang 2015, als ich in einer Nachrichtensendung von einem Sexualstraftäter und Mörder Van Den Bleeken hörte. Dieser wollte Sterbehilfe bekommen, weil ihm bisher ein Therapieplatz seit Jahrzehnten verweigert worden war.

Der Fall war klar, die Nachrichtenmoderatorin las weiter und berichtete, dass er noch an diesem Sonntag sterben würde.

Es war Montag.

Die Sachlage war klar, oder?

Ein Mensch, der andere geschändet und ermordet hatte, verdiente einfach keine Gnade mehr. Seine hatte er doch verwirkt, nicht wahr? Wahrscheinlich gab es viele Menschen, die Van Den Bleeken gerne höchstpersönlich „sein Licht“ ausgepustet hätten.

Diese Gefühle konnte ich nachvollziehen und merkte aber plötzlich wie tief in mir Gott eine unglaubliche Liebe für diesen Mann schenkte.

Ich konnte es nicht fassen, wollte es nicht fassen, dass man ihn einfach töten wollte, weil niemand ihm einen Therapieplatz geben konnte. Für mich war in dieser Sekunde klar, wenn er am Sonntag stirbt, wird er ins Gericht kommen und auf ewig in der Hölle brennen.

Ein Schauer lief über meinen Rücken. Ja, er war ein schlechter Mensch dieser Van Den Bleeken, verabscheuungswürdig und doch…und doch liebte Gott ihn.

Die Liebe Gottes geht über meinen Verstand hinaus, aber auch ich war einst ein Sünder gewesen, der in Feindschaft mit Gott lebte. Und Gott rettete mein irdisches Leben als ich sterben wollte. Vielleicht konnte ich darum Mitgefühl für ihn empfinden, aber diese Liebe schenkte mir eindeutig der Herr.

Ich war zu dieser Liebe nicht fähig.

Aber ich wusste, was ich tun konnte, das einzige was ich tun konnte.

Ich ging auf die Knie, betete für die Rettung dieses Mannes, dass er am Sonntag nicht sterben müsse, dass er einen Therapieplatz bekäme und den Kontakt zu einem Christen, der ihm von Jesus Christus erzählte. Die Tränen rollten über mein Gesicht, mir war es noch nie so ernst mit dem Beten wie an diesem Tag.

Alle Zeichen standen auf Verlieren.

Die Ärzte hatten grünes Licht für die Sterbehilfe gegeben.

Seine Verwandten hatten sich schon von ihm verabschiedet.

Er selbst freute sich auf Sonntag, um endlich sterben zu können.

Alle Zeichen standen gegen mich.

Aber ich hatte den Herrn auf meiner Seite.

Selbst wenn alles von den Menschen vorbereitet wurde, er stand über all dem. Er konnte das Unrecht, welches diesem Menschen bevorstand, noch wenden. Denn die Worte Gottes sind eindeutig:

Und so gewiß es den Menschen bestimmt ist,
einmal zu sterben,
danach aber das Gericht.
– Hebräer 9,27 –

Ich stand nach einiger Zeit auf, verbrachte den Tag mit anderen Dingen und legte all mein Hoffen und Bangen in die Hand meines Herrn. Wenn er wollte, würde Van Den Bleeken noch eine Chance auf das ewige Leben bekommen. Denn Jesus starb am Kreuz auch für die Sexualstraftäter und Mörder, selbst wenn wir als Menschen am liebsten diese ausschließen würden.

Doch Gott ist anders als wir und das ist auch gut so.

Am nächsten Tag stand ich auf und ging online, um die Nachrichten zu lesen.

Das, was ich las, konnte ich zuerst nicht begreifen.

Die Ärzte, die zuvor noch grünes Licht für die Sterbehilfe gegeben haben, hatten den Termin am Sonntag nicht nur abgesagt, sondern das ganze Unterfangen wurde komplett gestrichen. Nun sollte er doch noch einen Therapieplatz bekommen.

Für Van Den Bleeken war das äußerst ärgerlich, er regte sich ziemlich auf, war er doch so froh gewesen, am Sonntag zu sterben. Aber ich war froh und glücklich, dass dieser Mensch noch eine Chance vom Herrn bekommen hatte.

Ich bin nicht so vermessen, zu sagen, dass mein Gebet all das bewirkt hatte.

Denn Gott hat mir die Liebe für diesen Menschen geschenkt. Einen Menschen, den ich aufgrund meiner Vergangenheit (als Opfer eines Mannes) einfach nicht lieben könnte, selbst wenn ich wollte. Doch der Herr öffnete mein Herz für ihn und ich durfte wirklich für ihn hingebungsvoll beten und bitten. Und als ich sah, dass der Herr ihm nochmal eine Möglichkeit gab für das ewige Leben, war ich mehr als dankbar.

Dieses Gebet hat für mich viel bewirkt und immer wieder wenn ich daran denke, ergreift mich diese Situation. Ja, für Jesus sind wir alle Sünder, alle schlechte Menschen die seiner Rettung bedürfen. Für Gott gibt es keine guten Menschen, da wir durch den Sündenfall alle gefallen sind.

Und Gott gibt selbst denen, die wir aufgeben und am liebsten aus unserer Gesellschaft tilgen wollen, noch eine Chance, zu ihm umzukehren.

Ob Van Den Bleeken das Angebot Gottes annehmen wird? Wer weiß.

Wenn er aber irgendwann stirbt, habe ich den Frieden, dass er nochmal eine Chance bekommen hat. Ob er diese ergreift, das liegt jetzt ganz bei ihm.

Der Herr ist Richter über unser Leben, nicht wir.

Jesus hat sich damals zu den Huren und Zöllnern gesetzt (beides Berufsgruppen, die von der Gesellschaft als Abschaum bezeichnet wurden) und mit ihnen gespeist. Er war sich nie zu schade, Menschen anzuhören, die ihn ernst nahmen. Auf der anderen Seite hat er mehrmals sehr hart zu den Pharisäern gesprochen und sie als Otterngezücht bezeichnet, weil sie die Menschen von der Wahrheit abhalten wollten.

Die Pharisäer wollten von Jesus nichts wissen und das haben sie mit ihrem ewigen Leben bezahlt.

Ob wir einen ewigen Frieden mit Gott haben oder das ewige Gericht erleiden müssen, das wir ausschließlich mit der Frage beantwortet, ob wir Frieden mit Gott durch seinen Sohn Jesus Christus geschlossen haben.

Können wir das mit einer lauten Stimme bejahen, dann wird Gott unser Leben total verändern und das zum Guten hin! Wir leben dann nicht mehr aus uns selbst, sondern mit Gott leben. Und diese Geschichte, wie ausgerechnet ich einen solchen Menschen aus tiefsten Herzen lieben und für ihn beten konnte, das kann nur der Herr bewerkstelligen.

Dem alleinigen Gott, unserm Heiland, sei durch Jesus Christus, unsern Herrn, Ehre und Majestät und Gewalt und Macht vor aller Zeit, jetzt und in alle Ewigkeit! Amen

Kristina

Hier gibt es noch einen Link zu einem Zeitungsartikel, für diejenigen, die gerne mehr darüber erfahren möchten: Klick