Die Frau mit dem Tattoo

Donnerstag, im Februar 2019. Eine Mitarbeiterin der Physiopraxis legt die Fangopackung auf die Liege. Während sie das Handtuch darüber ausbreitet und ich mich bereit mache, mich hinzulegen, fällt ihr Blick auf mein Tattoo, welches ich mir vor vielen Jahren stechen lies. Ihr Gesicht drückt Anerkennung aus, ihr gefiele es sehr, sagt sie. Dann erzählt sie mir, dass sie sich einen Phönix auf die rechte Seite der Hüfte hat stechen lassen und ihr Mann die Gesichter ihrer beiden Hunde, die auch sehr schön geworden sind (ihrer Meinung nach).

Mir fällt es schwer, freundlich zu bleiben. Ich erwidere nur, dass das Tattoo alt und verblasst ist. Sie sagt mir, dass ich es ja nachstechen lassen könnte, was ich dann doch mit einem etwas deutlicheren Tonfall verneine. Das Tattoo, welches ich trage, darf ruhig verblassen und hässlich aussehen. Es besitzt keinerlei Bedeutung mehr für mich. Aber weil ich eines trage, dachte die Mitarbeiterin, dass ich Tattoos immer noch mag. Die Zeit reichte allerdings nicht aus, ihr zu erklären, warum ich es nicht mehr mochte. Nachdem die Fangopackung auf der Liege lag und ich schließlich auf derselben, wickelte sie mich in mehrere Decken ein und verließ den Raum. Ich blieb mit meinem Tattoo allein.

Als ich mir dieses Tattoo habe stechen lassen, war ich nicht gläubig und noch sehr sehr weit davon entfernt, nach Gott zu suchen. Ich lebte damals in Hamburg, machte eine Ausbildung zur Bürokauffrau und lebte das Leben einer jungen „modernen“ Frau.

Irgendwie kam ich auf die Idee, mich tätowieren zu lassen. Als ich im Laden stand, wusste ich genau, welches Motiv ich haben wollte. Ein Drache sollte es sein. Bei all den tausend Bildern, die zur Auswahl standen, fiel meine Wahl auf einen schwarzen Drachen mit ausgebreiteten Gargoyle-ähnlichen Flügeln und gespreizten Klauen. Er befand sich gerade im Sturzflug auf was-weiß-ich. Um das Klischee vollkommen zu erfüllen, wählte ich eine rote Augenfarbe, mit einer weißen Iris als Lichtpunkt.

Der Drache – das Symbol des Satans

Nachdem man sein Motiv gewählt hatte, macht man einen Termin mit dem Tätowierer aus. Allerdings konnte ich die Nacht über kaum schlafen. Nun, da ich mein Tattoo gewählt hatte, fühlte ich mich ohne unvollständig. Am nächsten Tag ging ich wieder hin und konnte noch vor dem festen Termin mich tätowieren lassen.

Oh, war ich stolz.

Und – oh, sah der Drache schön aus.

So gar nicht dezent, bedeckte er fast den gesamten Oberarm. Wenn schon ein Tattoo, sollte es eines sein, dass man erkennt – dachte ich damals.

Viele Jahre blieb ich auch stolz auf den Drachen, der für mich Glück, Zufriedenheit und (natürlich) Reichtum symbolisierte. Alles Dinge, die ein ungläubiger Mensch, der ich damals war, gut gebrauchen konnte (und nicht besaß).

Nachdem ich mich bekehrte, erkannte ich, für wen der Drache stand. Er wird sogar in der Bibel erwähnt. Wie konnte ich der Mitarbeiterin das in zwei Minuten sinnvoll erklären? Ich beließ es dabei, nickte freundlich, hörte mir ihre Tattoogeschichten an und hoffte, dass ich nicht allzu unfreundlich gewesen war.

Das ich mir das Symbol des Satans habe eintätowieren lassen, machte mich nicht zu seiner Gefangenen.

Das Tattoo besitzt keine magische Bedeutung und ganz ehrlich, ich vergesse meistens, dass es überhaupt existiert. Es ist dermaßen unwichtig geworden, dass ich es gar nicht mehr wahrnehme. Ob ich bereue, dass ich mich habe tätowieren lassen? Und dann auch noch einen Drachen?

Ganz ehrlich, nein.

Jesus Christus hat mich befreit!

Ich habe Buße getan, das ja. Und ich habe zum Herrn gebetet, dass er mich vor den möglichen bösen Mächten schützen möge. Aber die Vergangenheit ist eben vergangen. Ich kann sie nicht ungeschehen machen.

Die Tätowierung hat eine Frau damals machen lassen, die heute nicht mehr existiert. Und sie wird nie mehr wiederkommen. Ich bin deswegen ganz froh, dass das Tattoo nicht mehr schön aussieht, sondern so langsam eine Karikatur eines Drachen wird, welches verblasst. Ich muss deswegen schmunzeln, wenn ich andere ältere Geschwister sehe, die ebenfalls tätowiert sind.

Wir haben ein Leben vor unserer Bekehrung gehabt und der Herr hat uns alle Sünden vergeben.

Wir dürfen jetzt Frieden haben in unserem Leben.

Und wenn wir etwas bereinigen müssen, dann wird der Heilige Geist uns schon drauf aufmerksam machen. Der Mörder wird die Tat gestehen und der Dieb das gestohlene Portemonnaie zurückgeben. All das ist schon geschehen. Wunderbare Zeugnisse von Menschen, die sich bekehrt haben und – getrieben vom Herrn – ihre Taten zugegeben haben.

Die Frau damals war unglaublich unsicher und auf der Suche nach Frieden und Geborgenheit.

Die Frau, die die jetzigen Zeilen schreibt, besitzt all diese Dinge.

Und noch viel mehr.

Kristina