Die Menschen sehen, wie Jesus sie sieht!

Die Menschen sehen, wie Jesus sie sieht!

Die Frau im Fernsehen sieht sehr jung aus. Ihr zarter Körper verrät nicht die Qualen, die sie erlitten hat. Aber in ihren Augen erkennt man, dass sie viel Dunkles erlebt hat. Sie steht mitten auf einem Jahrmarktplatz und wird interviewt. Sie trägt in ihrem Gesicht einige Piercings und quer über ihrem Oberkörper hat sie sich ein riesiges Jesus Tattoo stechen lassen. Jetzt steigt sie in das Riesenrad und redet über ihre Drogenvergangenheit während sich die Gondel in die Höhe erhebt. Es ist ein sehr sonniger Tag. Die junge Frau lacht viel, während sie redet. Von den Drogen hat Jesus sie befreit, als sie sich zu ihm bekehrt hat. Jetzt geht es ihr endlich gut.

Das Interview wurde vom ERF gedreht und ausgestrahlt. Es dauerte nur wenige Minuten, aber die haben gereicht, damit die junge Frau (deren Namen ich vergessen habe) einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat.

Ich denke, dass wir als Menschen oft andere schnell in Schubladen stecken. In der Gemeinschaft der Christen ist es nicht anders. Als ich damals nach einer Gemeinde gesucht habe, trug ich rein aus Modelust ein rotes Headtuch. Ich trug es, weil es mir gefiel – sonst nichts. Die erste Gemeinde, die ich besuchte, war eine Baptistengemeinde. Dort wurde ich richtig gemustert. Vielleicht sah ich auch eindrucksvoll aus, so viel schwarze Kleidung und dann ein rotes Kopftuch. In der FEG wurde ich so akzeptiert, wie ich war. Aber Gott zeigte mir, dass es nicht meine Gemeinde war.

Schließlich besuchte ich eine Brüdergemeinde, die ganz in meiner Nähe ist. Ich war wirklich ein unbeschriebenes Blatt und kannte die ganzen Unterschiede zwischen den Gemeinden nicht. Meine Mutter ging in eine FEG, das war das Einzige, was ich kannte. Als ich die Tür öffnete und die enge Treppe zum Versammlungsraum hoch stieg, wurde ich sehr freundlich begrüßt. An diesem Tag wurde ich gleich zum Mittagessen eingeladen und ich spürte, dass Gott mir diese Gemeinde aufs Herz gelegt hat.

Wenn viele von Brüdergemeinde hören, denken sie oftmals an eine verstaubte Gemeinde, wo kein Leben stattfindet und wir traurig unsere Psalmen aufsagen. Ich kann nur für meine Gemeinde Christus Forum Kiel sprechen, aber diese Gemeinde ist mitnichten verstaubt! Es gibt bei uns keine Kleidervorschriften, jedoch haben wir einige Frauen, die zum Beten ein Kopftuch aufsetzen. Diese Frauen sahen mich als jemanden an, der dasselbe tut. Dabei trug ich ein Kopftuch nur weil ich darauf Lust hatte. Noch stärker merkte ich das Schubladendenken, als ich an einem Stand evangelische Bücher verteilte und eine Schwester stehenblieb und sich mit einem Bruder unterhielt. Sie sprach eine andere Sprache und der Bruder übersetzte sie. Die Schwester freute sich, dass ich ein Kopftuch trug und ich lächelte.

Für sie war das etwas sehr wichtiges.

Die Menschen sehen, wie Jesus sie sieht!

Und das kann zu einem Problem werden. Wenn wir etwas tun oder tragen und das für den Maßstab für alle halten, kann es soweit gehen, dass man manche Geschwister als etwas weniger wert ansieht, wenn sie sich nicht an die Regeln halten.

Es gibt in manchen Gemeinden eine strikte Kleiderordnung. Ich würde mich dort nicht wohl fühlen. Gott sieht in mein Herz, er kennt mich besser als ich mich selbst. Wenn ich nun mich so kleide, wie jemand es möchte, dann bin ich ein Heuchler, weil ich es nicht mit vollem Herzen mache.

Ich möchte aber deutlich betonen, dass ich nichts gegen Gemeinden habe, die eine Kleiderordnung haben. Ich sehe nur eben ein Problem, wenn man dann unterkühlt mit anderen Geschwistern umgeht, die sich nicht an diese Ordnung halten.

Aus Gnade ist ein Christ errettet und es gibt keine menschlichen Werke, die diese Errettung aufwerten oder den Christ auf eine höhere Stufe stellen, als andere Christen. Das finde ich gut und ich übe mich immer wieder darin, meine Geschwister so zu sehen, wie Jesus sie sieht.

Menschen sehen, wie Jesus sie sieht

Die Menschen sehen, wie Jesus sie sieht!

Kommen wir nochmal zu der jungen Frau zurück, die ich anfangs erwähnte. Als ich mich bekehrte, habe ich in sehr kurzer Zeit viel die Bibel gelesen, sehr viele Predigten mir angehört und auch vieles gelernt, durch die Gnade des Herrn. Aber ich war versucht, aufgeblasen zu werden und habe mindestens eine Schwester durch mein Gerede verletzt, weil ich auf meine Meinung bestand und sie quasi damit überfahren habe.

Wenn ich damals diese junge Frau kennen gelernt hätte, hätte ich sie direkt auf ihr Tattoo angesprochen und noch Mose dazu zitiert, dass man seine Haut sich nicht ritzen sollte. Dann – wenn die Frau nicht schon das Weite gesucht hätte – wäre ich übergegangen, ihr von all den heidnischen Religionen zu erzählen, dass die Tätowierung bei denen etwas Spirituelles ist, was Geister fernhält und sie besänftigen sollte.

Spätestens dann hätte die junge Frau wohl auf dem Absatz kehrt gemacht und mich für immer gemieden. Theologisch mag alles richtig sein, was ich aufgezählt habe. Aber in all dem war keine Liebe für sie gewesen. Und darum möchte ich lernen, die Menschen zu sehen, wie Jesus sie sieht. Ich denke, die junge Frau war über ihre Rettung so erfreut und dankbar, dass sie unbedingt einen Jesus Schriftzug sichtbar haben wollte, um andere auf ihn hin zu weisen. Es erfordert auch einen gewissen Mut, mit sowas herumzulaufen, denn dieser Jesus Schriftzug ist nicht einfach zu verbergen.

Ganz bestimmt hat die junge Frau schon vielen Menschen von Jesus erzählen können und was er für sie getan hat. Ist das nicht etwas Gutes?

Es stimmt, Jesus hat liebevoll zu Sündern gesprochen, aber auch die Sünde nie unerwähnt gelassen. Es ist jedoch ein Unterschied, wie ich als Christ mit jemandem rede, vor allem, wenn dieser gerade frisch bekehrt ist. Es ist viel wichtiger, diesen Menschen zu begleiten und ein guter Ratgeber zu sein. Die Erkenntnis kommt stückweise und niemand von uns besitzt sie zur Vollkommenheit. Am wichtigsten ist jedoch die Liebe für die Geschwister. Und gerade für jemanden, der neu bekehrt ist, muss man viel Liebe haben.

Es gibt nichts Schlimmeres, als Geschwister, die mit all ihrer Erkenntnis die Neulinge überfahren und so viel kaputtmachen. Manche von ihnen gehen aus Gemeinden raus und kommen nie wieder zurück, weil sie von Menschen enttäuscht sind.

Etwas ähnliches habe ich erfahren, als ich damals ganz frisch bekehrt, einem gestandenen Bruder (der sehr bekannt ist) mein Zeugnis geschickt habe. Mit dem Zeugnis wollte ich ihm in meinem Überschwang einfach zeigen, wie mein Leben vor Jesus war und danach. Ich war so glücklich und dankbar, endlich zu wissen, dass ich erlöst bin, dass ich ein ganz offenes Zeugnis geschrieben habe. Ich erwartete, dass er sich darüber freut und mir das in seiner Antwortmail kundtut.

Seine Antwort war allerdings vollkommen anders. Sie war niederschmetternd für mich. Er zerriss mein Zeugnis in der Luft, fand es nicht richtig, so etwas zu schreiben und die Tatsache, dass ich ein Kind Gottes geworden war, kommentierte er überhaupt nicht.
In dieser Situation hat mir Gott selbst geholfen, nämlich durch sein Wort, die Bibel. Ich erinnerte mich an Paulus und wie er Christen verfolgt hat. Als er sich bekehrte, bekannte er das öffentlich. Das Zeugnis, wie ich zum Herrn gekommen bin, gibt es in dieser Form noch immer und ich stehe bis heute dazu, was ich geschrieben habe.

Ich weiß, dass der Bruder ein echtes Kind Gottes ist, aber er hat mir damals wirklich virtuell die Hand vor den Kopf gehauen und wäre ich vielleicht wankelmütig gewesen, hätte ich vielleicht Zweifel bekommen. Das aus dieser Antwort leider keine dauerhafte Kommunikation wurde, ist bedauerlich.

Lieblosigkeit kann schnell aufkommen und niemand ist davor gefeit. Ganz besonders sind die gefährdet, die schnell viel lernen und Erkenntnis bekommen. Deswegen möchte ich für mich lernen, auf Jesus zu sehen und wie er mit den Menschen umgegangen ist. Menschliche Erkenntnis bläht auf und macht überheblich. Die göttliche Weisheit bringt nur gute Früchte hervor.

Die Frucht des Geistes aber ist Liebe,
Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit,
Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung.
– Galater 5,22 –

Es schadet uns allen nicht, wenn wir liebevoll mit unseren Geschwistern umgehen.

Darum wünsche ich dir, viele gute Geschwister, die dich beraten und im Gebet tragen können. Geschwister, die mit dir lachen und weinen und mit denen du gemeinsam den Herrn loben kannst!

Kristina