Vergib – damit DU frei wirst!

Vergib - damit DU frei wirst!

Als mir so richtig bewusst wird, was er mir angetan hat, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich hasste ihn aus vollem Herzen. Er hatte mir meine Kindheit gestohlen und nun würde er mir meine Zukunft nehmen. Ich grub mein Gesicht ins Kissen und schrie die ganze Ungerechtigkeit aus meinen Lungen. Später lag ich noch immer im Bett und dachte daran, dass dieser innere Schmerz wohl nie vergehen wird. Die Wut stieg in mir hoch und breitete sich mit ihren Wurzeln in meiner Seele aus. Sie vergiftete für viele Jahre meine Seele und hätte mich am Ende beinah vernichtet.

Das ist die Einleitung der ersten Geschichte, die ich mit dir heute teilen möchte. Sie ist emotional geschrieben und nicht geeignet für Menschen, die getriggert werden können.

Eigentlich wollte ich über etwas ganz anderes schreiben, aber Facebook kann manchmal doch nützlich sein. Oftmals nervt mich die Erinnerungsfunktion. Aber diesmal zeigte sie mir eine Unterhaltung an, wo ich mit jemandem so heftig gestritten habe, dass ich den Verlauf gespeichert hatte.

Ich dachte darüber nach, dass ich demjenigen längst vergeben hatte und war über meine eigenen Worte, die ich demjenigen schrieb, beschämt.

Darum möchte ich heute über Vergebung schreiben und mit dir zwei Geschichten teilen, die ich erlebt habe. Die erste Geschichte möchte ich dir heute erzählen, die zweite werde ich nächsten Freitag veröffentlichen.

Es ist gut, von seinen eigenen Erfahrungen zu berichten, wenn man über Vergebung schreibt. Vielleicht fragst du dich nämlich, warum ich darauf so poche, warum das so wichtig ist. Vielleicht denkst du auch, dass ich nicht viel erlebt habe in meinem Leben und das, was du erlebt hast, so furchtbar ist, dass du nicht vergeben kannst. Vielleicht ist das auch so.

Aber ich kann mich gut in den Schmerz hineinfühlen, der geschieht, wenn wir verletzt werden – körperlich wie seelisch. Wobei ich den seelischen Schmerz viel intensiver empfunden habe, damals, als ich Teenager war und ich im Bett lag. Damals ging es mir nicht gut, ich war magersüchtig und hasste mich und die ganze Welt. Das kann man jetzt auf die Hormone schieben, aber ich spürte tief in meinem Inneren, dass es da etwas gab, was mich von innen her vergiftete. Und es mussten Jahre vergehen, bis ich endlich wusste, warum ich seit meiner Kindheit an Suizid dachte.

Vergib - damit DU frei wirst!

Als ich im Bett liege, fiel es mir plötzlich ein – ich wurde als Kind vom Psychologen missbraucht. Es war ein regelrechter Schock, der mir in die Glieder fuhr. All die Emotionen, die ich Jahrelang in meine Seele vergraben hatte, brachen plötzlich aus mir raus.

Zu der Zeit glaubte ich zwar an einen Gott, aber der war mir fern. Sehr fern.

Das schlimmste aber war, dass ich mich keinem anvertrauen wollte. Meine Eltern haben hart für mich und meine Schwestern gearbeitet und uns ein gutes Leben gegeben. Es mangelte uns an nichts. Wie sollte ich nun mit dieser Wahrheit umgehen? Damals beschloss ich, dass ich lieber alleine dafür leide, als das meine Eltern die Wahrheit erfahren. Ich wollte sie beschützen und die Illusion der wunderbaren Kindheit aufrecht erhalten.

Das setzte mich seelisch natürlich unter großen Druck. Und die Wut, die ich damals verspürt habe, kann ich gar nicht in Worte fassen. Ich hasste ihn, so sehr. Vor allem, dass er damit davonkommen würde.

Ich ging zwar zu einer Psychologin und erzählte ihr davon, aber stellte auch gleich klar, dass ich keinen Prozess will. Dann würde ja all das rauskommen und auf der anderen Seite hatte ich keine Beweise.

So versuchte ich mich durchs Leben zu schlagen, ich ging weiterhin zur Schule, war weiterhin keine gute Matheschülerin und traf mich weiterhin mit meinen Freunden. Und keiner ahnte, wie es mir in meinem Inneren ging. Mit den Jahren wuchs die Bitterkeit. Sie grub sich wie eine Schlingpflanze in mein Herz und breitete sich von dort aus. Sie vergiftete meine Gedanken und meine Seele.

Vergib – damit DU frei wirst!

Wenn ich auf die Zeit zurückblicke, war es kein Wunder, dass ich magersüchtig war. Wenigstens über meinen Körper konnte ich Kontrolle haben. Ich ging so weit, dass meine Mutter mich in die Klinik einliefern wollte. Aber dann war ich 18 und konnte selbst über meinen körperlichen Verfall bestimmen. Es war wirklich ein Kreislauf, der mich zusehends aufrieb.

Ich erinnere mich an einen Vorfall in der Schule. Ein Junge ärgerte mich und warf mir lächerliche Namen an den Kopf. Als er an meinem Tisch vorbeiging, sprang ich auf, packte seinen Pullover und riss ihn an mich ran. Ich schrie ihn an, ob er Schläge wolle und hob drohend meinen Arm. Er war von der ganzen Aktion dermaßen überrumpelt, dass er beschwichtigend die Hände hob und versuchte, mich zu beruhigen. Nach ein paar Sekunden ließ ich ihn los. Er lief – geschockt von meiner Reaktion – aus dem Klassenzimmer.

Wenn er damals nur den leisesten Hauch von Aggressionen gezeigt hätte – wäre ich explodiert und hätte ihn verprügelt. So war ich wie ein siedender Topf – der Deckel lag lose auf mir drauf und dann und wann sprudelte Wasser aus mir raus.

Es war furchtbar, so zu leben.

Und ich fand für viele Jahre keine Lösung, damit umzugehen.

Denn, eines wollte ich ganz sicher nicht: Vergeben.

Vergib - damit DU frei wirst!

Es mussten Jahre ins Land ziehen und ich musste erst mich zum Herrn bekehren, damit er mir durch sein Wort zeigen konnte, dass ich Vergeben musste.

Als ich zum Glauben fand, entdeckte ich im Internet einen Spruch, der sich mit Vergebung beschäftigt. Ich finde ihn so gut, dass ich ihn mir gleich gemerkt habe.

Wenn derjenige dich um Vergebung bittet,
vergib ihm um seinetwillen!
Wenn derjenige dich nicht um Vergebung bittet,
vergib ihm um deinetwillen!

Etwas, was ich auch erst sehr viel später gelernt habe ist, dass es beim vergeben nicht darum geht, die Tat schön zu reden oder dergleichen. Beim Vergeben geht es darum, dass ICH frei werde.

Und genau das wollte Gott mir mit seinem Wort zeigen. In der Bibel fragte Petrus, wie oft er seinem Bruder vergeben sollte und Jesus antwortete ihm: Bis siebzig mal sieben!

Jesus hat hier keine feste Zahl genannt (kein Mensch führt Buch, wie oft man schon vergeben hat und wie oft man noch darf), sondern mit dieser Antwort gemeint, dass es keine Begrenzung fürs Vergeben gibt.

Als ich die Bibelstelle das erste mal las, hatte ich enorme Schwierigkeiten damit, mir selbst einzugestehen, dass ich Vergeben muss. Mittlerweile hatte ich meiner Mutter von der Geschichte erzählt und da sie vor mir Christin wurde, lautete ihre Antwort ebenfalls, dass ich jetzt vergeben muss.

Diesem Mann zu vergeben, war Anfangs sehr schwer.

Aber Gott schenkte mir tatsächlich Frieden!

Und mittlerweile ist all das, was ich erlebt habe, kein Ballast für mich mehr. Und noch wichtiger ist, dass diese bittere Wurzel von Gott entfernt wurde.

Wenn ich nicht vergebe, dann peinige ich mich am Ende selbst mit dem Schmerz, den ich nicht loslassen will oder kann. Indem ich das Erlebte immer wieder vorhole und es neu erlebe, traumatisiere ich mich immer wieder, ohne dass es zu einem Abschluss kommen kann.

Ja, ich habe dem Mann vergeben, der mir in der Kindheit Schaden zugefügt hat.

Denn ich weiß heute, dass Gott entweder der Retter oder der Richter eines jeden Menschen ist. Und viele denken bestimmt, dass ich möchte, dass er gerichtet wird. Aber so denke ich nicht mehr. Tatsächlich ist es mein Wunsch, dass er – genau wie ich – ein Kind Gottes wird und das wir eines Tages im Himmel uns um die Arme fallen und gemeinsam den Herrn für seine große Güte loben.

Diese Liebe und dieser Frieden, den ich empfinde, ist nicht menschengemacht, sondern von Gott geschenkt. Darum wollte ich dir davon berichten und dir zeigen, dass Gott existiert und er uns retten will!

Ich bin dem Herrn dankbar für so vieles, was er in meinem Leben bewirkt hat.

Aber diesen Frieden, den ich tagtäglich verspüren darf, darüber freue ich mich wirklich jeden Tag!

Kristina