Dann wäre ich ein Heuchler.

Dann wäre ich ein Heuchler.

Im letzten Gottesdienst sangen wir ein Lied, welches mich stark ansprach. Ich kannte es nicht und las mir den Text durch. Ein Satz, der sehr kurz war, stach mir direkt ins Auge. Manchmal singen wir Lieder und denken gar nicht über den Satz nach. Gerade bei englischsprachigen Texten kann es vorkommen, dass wir gar nicht den Sinn des Liedes erfassen.

Ich lebe mein Leben nur für dich, nur für dich allein.

Ich stutzte und schüttelte innerlich den Kopf. Das war nicht wahr. Wie konnte ich sowas singen? Ja, ich bin ein Kind Gottes und ja, ich liebe meinen Herrn. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich mein Leben nur für ihn lebe. Ganz und gar nicht!

Das Lied wurde beendet und noch immer starrte ich auf die Wörter.  Ich gehe von den besten Absichten des Texters aus, aber ich persönlich kann diesen Satz nicht über meine Lippen bringen.

Warum glaube ich an die Bibel als das Wort Gottes?

Nicht, weil es darin vor sogenannten Heldengeschichten von Menschen nur so wimmelt. Nö. Im Gegenteil. Seit Erschaffung der Menschheit übertreffen wir uns im gegenseitigen scheitern. Das Ego zählt – nicht die Anbetung des Herrn.

Die Bibel zeigt uns, wer wir Menschen sind. Und dass wir uns selbst nicht ändern können.Und es sind diese Geschichten, die mich in meinem Glaubensleben bestärken. Sie geben mir Kraft, weil ich sehe, wie der Herr durch diese Menschen wirkt.

Trotzdem sie scheitern und auch wenn sie immer wieder sich von Gott abwenden. Das tröstet mich. Weil ich nicht perfekt bin. Gerade diese Wörter habt ihr im Kurzinput gelesen. Aber irgendwie scheint es so zu sein, dass der Herr mir gerade sehr deutlich wieder zeigt, wie sehr ich auf ihn angewiesen bin. Gerade die Gedanken sind manchmal alles andere als angenehm. Sind sie erstmal losgelassen, kann man sie nicht mehr einfangen.

Eine beschämende Begegnung mit mir selbst

Vor einigen Tagen war ich auf dem Weg zum Lauftraining. Ich habe einige sehr schöne Laufstrecken in meiner Umgebung, muss dafür allerdings den Bus nehmen. Für eine Laufstrecke muss ich umsteigen. Und genau an diesem speziellen Tag passierte etwas, was mir mal wieder sehr deutlich vor Augen stellte, wer ich bin.

Der Bus war gut gefüllt und direkt eine Haltestelle vor der ich umsteige, kippt eine ältere Frau aufgrund von Kreislaufproblemen um. Ich hab das erst gar nicht mitbekommen, weil ich in Fahrtrichtung saß. Erst als meine Sitznachbarn aufsprangen und der alten Dame hoch halfen, sah ich sie. In diesem Moment schoss mir ein Gedanke durch den Kopf.

Dann wäre ich ein Heuchler.

Hoffentlich hält der Busfahrer nicht an, denn dann würde ich meinen Bus verpassen.

Im selben Augenblick schelte ich mich quasi selbst. Wie konnte ich sowas nur denken? Es war doch vollkommen egal, ob ich diesen blöden Bus verpasse. Aber da war es wieder. Das Ego. Gestatten mein Name ist: Ich, mir und mich!

Der Busfahrer fuhr weiter. Weil er davon gar nichts mitbekommen hatte. An der nächsten Haltestelle konnte ich aussteigen und in den anderen Bus einsteigen. Aber auf der gesamten Fahrt war ich wütend auf mich. Das ich so etwas denken konnte.

Ich kann auch nicht schreiben, dass das ein seltener Einzelfall ist. Es geschieht immer wieder. Und ich wäre ein Heuchler, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Natürlich könnte ich vor anderen Menschen ein frommes Leben vorleben, was mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.

Manchmal bringt es wirklich was, mit sich selbst einen inneren Monolog zu führen und den negativen Gedanken das Rederecht abzusprechen.Als ich die Tage darauf wieder im Bus saß und an der Haltestelle, an der ich ausstieg, ein Rollstuhlfahrer ebenfalls aussteigen wollte, kam wieder ein negativer Gedanke auf. Wenn er jetzt aussteigt, kann ich nicht schnell aussteigen und ich könnte den Bus verpassen.

Innerlich wütend auf mich, sprach ich: Du bist jetzt still! Ob Du den Bus verpasst oder nicht – das ist völlig egal! Du wirst dem Mann beim Aussteigen helfen, Basta!

Energisch klappte ich die Rampe hoch und ließ den Rollstuhlfahrer aussteigen, der sich dafür bedankte. Ich war froh, dass er meine innere Konversation nicht mitbekommen hatte.

Den Bus erreichte ich übrigens pünktlich.

Gott kennt mich und liebt mich, trotz allem.

Wenn ich mich zum Herrn bekehre, erschafft er in mir eine neue Natur. Eine die rein und sündlos ist. Diese Natur wird es sein, die im Himmel existiert. Aber meine andere alte Natur lebt noch, genau so wie mein Körper dem natürlichen Verfall preisgegeben ist.

Das ist der Grund, warum Christen nicht fehlerlos sind. Es ist der Kampf dieser zwei Naturen, die jeden Tag gegeneinander kämpfen. Als ich die Bibel las und sah, wie andere Menschen diesen Kampf kennen, tröstete mich das. Ich weiß, dass ich – solange ich hier auf der Erde bin – immer wieder solche Gedanken haben werde. Und ich werde sicher auch immer mal wieder unhöflich gegenüber Menschen sein und sie falsch behandeln. Ach, ich könnte die Liste endlos fortführen.

Aber das ist keine Entschuldigung meinerseits.

Ich wünschte, es wäre manchmal anders.

Aber ich weiß, dass der Herr mich auch beständig ändert. Vieles hat er schon in mir verändert. Die alte Kristina gibt es nicht mehr. Und ich bin froh, dass ihr sie niemals kennen lernen werdet. Die Geschichte im Bus hat mir gezeigt, dass ich den Herrn brauche. Es wird niemals anders herum sein. Und deswegen bin ich dankbar.

Weil ich wissen darf, geliebt zu sein.

Kristina